Zum 100. Jubiläum der Freiwilligen Feuerwehr hat eine Recherchegruppe aus Feuerwehrleuten ein Jahr lang umfassend zur Feuerwehrgeschichte geforscht. Die bemerkenswerten Ergebnisse werden beim Jubiläumsfest am 24. Juni im Schützenpark präsentiert.
Sie hießen Otto Nebert, Karl Greulich und Hermann Freidank. Sie waren Arbeiter, vielleicht in einer der immer rarer werdenden Glindower Ziegeleien. Brände gab es im Umfeld der Brennöfen durch Unachtsamkeit, Baumängel oder Blitzschlag im Schornstein ja immer wieder, jemand musste sie löschen. Das Trio gründete am 28. September 1923 die Glindower Feuerwehr und spendete auch gleich eine Sirene.
Auf dem ersten überlieferten Gruppenfoto der Mannschaft sind drei Jahre später 22 Herren mit Uniform und Schutzhaube sowie acht weiß gewandete Damen abgelichtet, die vielleicht eine Sanitätskolonne bildeten. Auf dem Foto hat ein Rechercheteam auch die Feuerwehrgründer ausgemacht.
Zum 100. Geburtstag haben sich mehrere Feuerwehrleute der Gegenwart um Mathias Walter durch die vergangenen Jahrzehnte geforscht. Herausgekommen ist eine 104-seitige Präsentation mit Fotos, Zeitungsauschnitten, Dokumenten und Protokollen, die zum Glindower Jubiläumsfest im Schützenpark am 24. Juni präsentiert werden wird.
Es gab nur ein paar Fotokisten
Das fünfköpfige Rechercheteam hatte vor einem Jahr mit seinen historischen Nachforschungen begonnen. „Das vorhandene Material beschränkte sich auf ein paar unsortierte Fotokisten“, erzählt Mathias Walter. Das Team schrieb Archive an, wertete altes Zeitungsmaterial aus, ordnete die vorhandenen Fotos Zeiträumen und Zusammenhängen zu. „Und wir befragten ältere Feuerwehrkameraden aus dem Ort.“ 14-tägig wurden die gesammelten Informationen gemeinsam ausgewertet.
Auf diese Art wurden Erinnerungen zutage gefördert, die nur noch schemenhaft oder gar nicht mehr im Feuerwehr-Gedächtnis existierten. Ob vom ersten Gerätehaus im Depot der Pferdebahn, die Glindow einst mit Werders Stadtbahnhof verbunden hatte. Von der ersten Motorspritze, die im Jahr 1926 angeschafft wurde. Ob von den unterbrochenen Fußballspielen, da die Feuerwehrausfahrt einst quer über den Sportplatz führte. Oder vom großen Ziegeleifeuer bei Schiele im Jahr 1937.
Um das erste motorisierte Feuerwehrfahrzeug rankt sich eine bemerkenswerte Geschichte. Der Opel Blitz hatte 34 PS und stammte, so ist es überliefert, aus einer „Trophäenhalle“ der Sowjetarmee in Seddin. Die Glindower, die nach dem 2. Weltkrieg mit drei Kameraden gerade dabei waren, die Feuerwehr wieder aufzubauen, übernahmen das Fahrzeug 1948 als komplettes Wrack. Sie bauten es in vielen Arbeitsstunden in Eigenleistungen und mit der Unterstützung von Spendern mühevoll wieder auf. Das blieb nicht unbemerkt.
Die Zahl der überlieferten Fotos gibt ein Gefühl dafür, wie stolz sie auf ihren dunkelroten Blitz waren, zu dem ein ebenso roter Tragkraftspritzenanhänger gehörte. Doch um 1952, so haben es alte Kameraden berichtet, sei das blank geputzte Fahrzeug von der Potsdamer Feuerwehrführung mal eben für eigene Zwecke beschlagnahmt worden. Material war knapp in den Nachkriegsjahren, da nahmen die Potsdamer offenbar das Recht des Stärkeren für sich in Anspruch.
Ein Besuch beim Präsidenten der DDR
Man mag sich nicht vorstellen, was das in Glindow ausgelöst hat. Von einem Willkürakt war die Rede. Es kratzte an der Ehre des ganzen Dorfs. Die Glindower wollten das auf keinen Fall auf sich sitzen lassen. Aber was tut man in einer scheinbar aussichtslosen Situation? Man tut etwas Unerwartetes.
Feuerwehrchef Ottomar Raue fuhr mit dem damaligen Bürgermeister Jost nach Ostberlin. Sie suchten niemand geringeren auf als Wilhelm Pieck, den Präsidenten der erst vor ein paar Jahren in der Sowjetischen Besatzungszone gegründeten „Deutschen Demokratischen Republik“. Sie müssen ihr Anliegen mit einer solchen Wucht vorgetragen haben, dass sie vorgelassen wurden. So konnten sie ihren Unmut über die Potsdamer Skrupellosigkeit kundtun.
Sie hatten den Überraschungseffekt auf ihrer Seite: Wilhelm Pieck zeigte Verständnis und soll versprochen haben, Gerechtigkeit walten zu lassen. Offenbar wollte er die Angelegenheit schnell vom Tisch haben. Womit Raue und Jost nicht gerechnet hatten: Zurück in Glindow stand der Opel Blitz tatsächlich schon wieder im Feuerwehrgerätehaus.
1957 wurde der Opel durch ein Löschfahrzeug von Robur Garant abgelöst, 1979 durch einen Robur LO und 1998 durch einen Löschfahrzeug auf der Basis des Mercedes 1224, das heute noch eine feste Größe im Fuhrpark der Glindower Feuerwehr ist. All das ist jetzt ebenso chronologisch vermerkt wie eine ganze Anzahl bemerkenswerter Einsätze, etwa die beiden Flugzeugabstürze, mehrere Ziegeleibrände oder der Hilfseinsatz in Mühlberg.
Zigarettenkippen in der Bretterspalte
Es gibt Bilder der wechselnden Führungsriege, der Feiern im Deutschen Haus und der unterschiedlichsten Feuerwehrübungen. Für einer Schau-Übung zum 65. Jubiläum wurde sogar ein Trabant 601 angesteckt. Auch die frühere Glindower Feuerwehrkapelle und der in der 60er-Jahren existierenden Frauengruppe sind jetzt sorgfältig dokumentiert.
Ein besonders trauriges Foto von 1975 zeigt das schwarze Balkengerippe des Schlauchturms vor dem weitgehend unversehrten Gerätehaus. Schüler der benachbarten Schule hatten dort heimlich geraucht und ihre Zigarettenkippen in einer Bretterspalte versteckt. Das Feuer war ein herber Schlag für die Kameraden. Als im Jahr 2006 auch noch die Fahrzeughalle brannte, führte an einem Neubau nichts mehr vorbei. Einbrecher hatten offenbar versucht, mit den Flammen Spuren zu verwischen.
2009 traf die Baugenehmigung für den Neubau ein, 2010 wurde er feierlich eingeweiht. Eine Investition in eine Feuerwehr, deren Löschgruppe heute aus 33 Kameraden, der Jugendfeuerwehr mit 22 Mitgliedern und der Alters- und Ehrenabteilung mit 12 Mitglieder besteht.
„Früher reichte der Wille und die Teilnahme aus, um Freiwilliger Feuerwehrmann zu werden“, resümiert das Rechercheteam mit Mathias Walter, Madlen Viebranz, Hartmut Küstner, Klaus Pfänder und Robert Wolter. Die jungen Kameraden wurden von den Älteren angeleitet. „Heute müssen allein 80 Stunden Grundausbildung absolviert werden, um überhaupt zum Einsatz mitfahren zu dürfen.“ Weitere Ausbildungseinheiten würden folgen.
In einem noch relativ neuen Feuerwehrgerätehaus, mitten im Dorf gegenüber der Dorfkirche, hat die Glindower Feuerwehr seit 100 Jahren ihren und unverrückbaren Platz. Das wird am Samstag vom ganzen Dorf im Schützenpark gefeiert.
Infos zum Fest-Programm: 100 Jahre Ortsfeuerwehr Glindow (werder-havel.de)